13.06.2023
Lutheriden-Treffen in Möhra

Im Juni 1926 wurde die Lutheriden-Vereinigung in Eisenach gegründet. Obwohl Möhra als Lutherstammort nur eine halbe Fahrstunde entfernt von Eisenach liegt, nahm man von ihm kaum Notiz. Es bedurfte fast 100 Jahre, bis es der Ort auch bei den Lutheriden in den Fokus schaffte.

Über 500 Jahre leben hier die Nachfahren von  „Hans dem Kleinen“, dem Onkel von Martin Luther. Sie leben hier als Familien Gürtler, Hauptruck, Luther, Lämmerhirt, Langlotz, Kallenbach, Kürschner, Ortmann, Trautvetter und Volk um nur einige zu nennen. Vor allen Dingen Prof. Wolfgang Alt, welcher als Genealoge für die Familienforschung der Lutheriden-Vereinigung  zuständig ist, bestand auf Treffen in Möhra, welches nach 2 maligen Absagen bedingt durch Corona nun endlich auch stattfinden konnte.

Die Lutheriden brachten ein Buch heraus, in welchem alle Haupt- und Seitenlinien von Martin Luther und seiner Frau Katharina von Bora veröffentlicht wurden.
Der Ahnenforscher in Möhra Ralf Wilke und der damalige Genealoge der Lutheriden tauschten für ein neu zu erscheinendes Buch diverse Datensätze aus.
Als Wolfgang Alt diese Funktion bei den Lutheriden übernahm, kam es zu einem intensiveren Austausch von Informationen. Neugierig auf Möhra geworden, besuchte er schon nach kurzer Zeit den Lutherstammort.

Was er hier vorfand, sowohl an Historie, den Örtlichkeiten und vor allen Dingen der Herzlichkeit der hier lebenden Menschen beflügelte seinen Wunsch, endlich auch in Möhra ein Lutheriden-Treffen stattfinden zu lassen. Es wurde ein Vorbereitungsteam als WhatsApp-Gruppe zum Treffen erstellt, bestehend aus Yvonne Hauptruck, Jana Wieditz, Silke Trautvetter, Ralf Wilke und Wolfgang Alt.

Möhra “der“ väterliche Luther-Stammort. Seit über 500 Jahren gibt es die Lutherfamilien in Möhra. Im Laufe der Jahrhunderte vermischten sie sich mit den anderen hier lebenden Familien. Man kann davon ausgehen, dass über 90 Prozent der hier lebenden Einwohner mindestens einen Luthervorfahren in ihrem Familienstamm haben.
So kam die Idee auf, zum 1. Mal ein Themenwochenende als Novum in Möhra stattfinden zu lassen.

Freitag war Anreisetag. Am späten Nachmittag begann das Wochenende mit einem Gottesdienst in der Lutherkirche durch den ehrenamtlichen Prediger Martin Richter aus Burkau in der Nähe von Bautzen. Er ist ein vielfacher Urenkel von Martin Luther. Nico Wieditz begleitete den Gottesdienst an der Orgel. Frau Christine Ihling führte die Lutheriden-Familie sowie interessierte Möhraer durch den Lutherstammort und zeigte ihr Fachwissen. Im Dorfgemeinschaftshaus hatte der Ortschronist Ralf Wilke 5 große Familientafeln aufgebaut, wo er einzelne Häuser und die entsprechenden Familien in Gruppenfotos darstellte. Die verschiedenen Familienzweige gingen ständig ineinander über, so dass man hier nur einen kleinen, wenn auch beeindruckenden Überblick präsentieren konnte. Mit einem rustikalen Abendbrot und anschließenden Kennenlernen-Treffen wurde dieser Tag beendet.

Der Samstag wurde unterteilt in 3 Workshops.
Workshop1 behandelte das große Thema „Wo kamen sie her - wo gingen sie hin ... die Luthers in Möhra“. Herbert Otterbein hielt einen Vortrag über die adligen Vorfahren von Martin Luthers in Großenlüder. Leider gibt es dazu keine belegbaren Dokumente. Weiter ging es mit den Luthernachkommen in Eckardtshausen und Wolfsburg-Unkeroda.
Roland Sprössig aus Dresden, dessen Frau ursprünglich aus Eckardtshausen stammte, referierte über den Lutherzweig, welcher sich aus Möhra kommend im Elte-Tal verbreitete.

Nancy Barchfeld aus Plauen stammend, welche schon seit mehreren Jahren mit dem Ortschronisten Ralf Wilke aus Möhra im Austausch über die Lutherfamilien steht, hielt einen spannenden Vortrag über die Luthernachkommen in Schweina und Bad Liebenstein. Wie so häufig mussten sich die Redner etwas sputen, da der Zeitplan eingehalten werden musste und das Mittagsessen bei Ina Ortmann in der Gaststätte „Zum goldenen Stern“ wartete.

Frisch gestärkt ging es zum Workshop2.
Prof. Wolfgang Alt referierte über 500 Jahre Lutherlinie in Möhra. Yvonne Hauptruck zeigte Anhand von Beispielen aus dem Familienstamm ihres Mannes, dass halb Möhra miteinander verwandt ist. Je mehr sie erforscht, desto mehr andere Familiennamen aus Möhra kann sie in die Liste eintragen. Frau Dr. Susanne Ziesenitz und ihre Tochter Susanne Ziesenitz hielten einen Vortrag über die Luthernachkommen, welche sich aus Möhra kommend in Salzungen verbreiteten.
Dr. Frank Ortmann referierte über die Familienbezüge zwischen Hans Kallenbach als einen seiner Vorfahren und den Luthers.

Nun gab es Kaffee und frisch gebackenen Blechkuchen. Die Kaffeepause wurde genutzt, um in regen Austausch zwischen den Teilnahmemitgliedern und auch den neueren Besuchern des Workshops zu kommen. Viele Möhraer kamen zur Fotoausstellung und blieben letztendlich zum Workshop3, wo es um die Geschichte einzelner Häuser und Familien in Möhra ging. Christoph Neumann, der pensionierte Pfarrer von Möhra erzählte über die Geschichte des Pfarrhauses und er Schule in Möhra. Da die Standorte der Gebäude öfters wechselten und man sehr schnell die Orientierung verlieren konnte, half Ralf Wilke im Vorfeld an der Erarbeitung des Beitrages. Prof. Wolfgang Alt hielt seinen Vortrag über das Stammhaus der Lutherfamilie in Möhra. Er zeigte auf, wie die Besitzverhältnisse an dem Haus waren und warum es zum Grundstücks- und Gebäudetausch zwischen der Lutherfamilie und der Familie Ihling kam. Seit dem 3. März 1656 ist das Lutherstammhaus im Besitz der Familie Ihling. Es wurde nach einem Brand auf den Grundmauern des alten Lutherhauses neu aufgebaut.

Yvonne Hauptruck behandelte in ihrem Referat das 2. Lutherhaus in der Sorgstraße.
In alten Grafiken wurde das Haus öfters dargestellt, weil man damals irrtümlich davon ausging, dass hier die Großeltern von Martin Luther wohnten. Der letzte Luther in diesem Haus galt als ein Raufbold und dem Trunke erlegen. So soll er bei einem Zechgelage in Schwallungen dem Wirt den Luthertisch aus seinem Haus für die Begleichung der Schulden angeboten haben. Dieser Wirt reiste nach Möhra um sich den Tisch zu holen. Johann Georg Luther lieh sich in seiner Not das Geld beim damaligen Wirt in Möhra und so konnte der Tisch für Möhra erhalten bleiben. Letztendlich übernahm der Gastwirt Daniel Horstmann durch Kauf das Haus ganz und übergab den Luthertisch 1811 an die Wartburg, wo er bis heute immer noch in der Lutherstube zu besichtigen ist.

Prof. Wolfgang Alt hielt zusammen mit Siegmar Kallenbach, dem jetzigen Besitzer des Kallenbach-Hauses oberhalb vom Lutherdenkmal stehend einen Vortrag über die Geschichte des Hauses und was sich seit der Entstehungsphase baulich verändert hatte.

Zum Schluss des Workshop3 erzählte Dr. Renè Trautvetter aus Möhra, wie er durch Zufall an der Versteigerung des schönsten Fachwerkhauses in Möhra teilnahm und überraschenderweise den Zuschlag für das Haus erhielt. Dieses Haus wurde 1626 als Wohnhaus erbaut. Direkt gegenüber stand das ehemalige Pfarrhaus in gleicher Bauweise, welches später abgebaut und in der Röhrigstraße wieder aufgebaut wurde. In den 1980er Jahren wurde das Haus in der Türkstraße aufwändig renoviert und diente ab da als Rathaus, Post, Gemeindebibliothek und nach der politischen Wende 1989 als Bankgebäude. Mit der Gemeindereform brauchte man das Rathaus nicht mehr und irgendwann stand es ganz leer. Dr. Renè Trautvetter beabsichtigte dort eine Erlebnisgastronomie zu errichten. Letztendlich ist daraus seine Arztpraxis geworden.
Mit dem Grußwort des Ortsteilbürgermeisters Hannes Knott ging der Abend in seine letzte Runde. Herr Knott ging auf die Geschichte von Möhra und dem Denkmal ein und mahnte noch einmal die Lutheriden, dass man Möhra und seine Bedeutung für die Lutherfamilie nicht vergessen sollte. Letztendlich wurde hier Martin Luther gezeugt, wenngleich seine Eltern kurz vor dessen Geburt nach Eisleben gezogen sind.
Im Namen der Lutheriden wurden durch Wolfgang Alt dem Hannes Knott ein 4 bändiges Werk der Luther-Forschung an die Stadt überreicht sowie ein Luther-Zertifikat. Auch Hannes Knott hat Luthervorfahren aus Möhra.

Prof. Wolfgang Alt bedankte sich noch einmal für die Gastfreundschaft in Möhra. Und in Gedanken plant er schon ein zweites Treffen in Möhra. Christoph Neumann sang das Bänkellied über die Gefangennahme im Glasbachgrund sowie ein Lied über die Bratwurst. Mit einem Essen der Familie Kallenbach und Co ging es zu lockeren Gesprächen bei einem Gläschen Wein bzw. Bier über. Jetzt konnte man nach Herzenslaune über alle Themen Fachsimpeln. So ging auch dieser sehr interessante Hauptprogramm-Tag zu Ende.
Da die Pfarrstelle in Möhra erst ab August besetzt ist, ging es am Sonntag als Abschluss für die Lutheriden-Familie in Bad Liebenstein zum Gottesdienst. Alle Lutheriden waren sehr angetan von der Freundlichkeit und dem Engagement der einzelnen Beteiligten vor Ort, welche aus dem Treffen ein richtiges Highlight werden ließ.

(Gastbeitrag der Kirchgemeinde Möhra)


Mehr Fotos

 Workshop 1 © Ralf Wilke  Workshop 2 © Ralf Wilke  Bänkellied von und mit Christoph Neumann © Ralf Wilke  Ausstellungstafel © Ralf Wilke  Wolfgang Alt © Ralf Wilke  Von links: Anke Börner, Olaf Zeller, Ralf Wilke, Dirk Hauptruck © Kirchegemeinde Möhra  Zertifikat an Hannes Knott, hauptamtlicher Beigeordneten der Stadt Bad Salzungen © Ralf Wilke